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Perspektive von

Dr. Christine Leowardi

Leiterin Chirurgische Ambulanz
und Oberärztin für Chirurgie

Die Metalltüren des Schockraums öffnen sich automatisch. Dort habe ich mit meinem Team gerade einen schwerverletzten Radfahrer behandelt. Doch es ist keine Zeit für eine Verschnaufpause. Im Koordinationsraum wartet mein Assistenzarzt Dr. Lukas Liesenfeld auf mich. Gemeinsam mit der behandelnden Pflegerin klärt er mich über den Zustand von Frau Schäfer auf. In unserem Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem PACS zoomen wir auf kleinste Details der Ultraschallbilder. Schnell sind wir uns einig, dass sie weder an einem Gallenstein noch an einer anderen Erkrankung des Bauchraumes zu leiden scheint. Anschließend filtern wir die Blutwerte und können auch eine Entzündung ausschließen. Allerdings überschreitet das Troponin den festgelegten Normwert. Das erhöhte Troponin kann auf ein Problem im Herzen hindeuten, aber auch auf eine Niereninsuffizienz. Wie immer ist die Diagnostik anhand nur eines Parameters komplex, weshalb mich auch Dr. Liesenfeld nochmal zur Beratung hinzugezogen hat. Dr. Liesenfelds Behandlungsstrategie war korrekt. Ich hätte genauso entschieden, denn als Erstes muss herausgefunden werden, ob im Bauchraum lebensbedrohliche Erkrankungen oder Verletzungen vorliegen. Gleichzeitig hat er mit der Abfrage des Troponin-Werts vorrausschauend gehandelt. Ich bin froh, dass ich am UKHD auf hochqualifiziertes Arzt- und Pflegepersonal zählen kann.

Wenn es richtig ernst ist – Der Schockraum Der Schockraum ist die erste Anlaufstelle für Menschen, die lebensbedrohlichen Verletzungen (Polytrauma) erlitten haben oder sich in einem instabilen Zustand befinden. Ein speziell ausgebildetes Team aus Unfallchirurginnen, Anästhesistinnen, Radiologen und Pflegekräften versucht als allererstes, die Vitalfunktionen des Patienten wiederherzustellen. Der Schockraum ist fester Bestandteil einer Notaufnahme und befindet sich am UKHD in der chirurgischen Ambulanz.

Zu dritt gehen wir ins Behandlungszimmer, um den Verdacht auf ein Problem im Herzen nachzugehen. „Hallo Frau Schäfer. Ich bin Dr. Leowardi, die Leitende Oberärztin der Chirurgischen Notaufnahme. Nach Beurteilung der bisherigen Befunde ist in Ihrem Bauch alles in Ordnung. Hatten Sie in den letzten Tagen vielleicht auch Schmerzen im linken Arm?“ Frau Schäfer überlegt, dann sagt sie: „Ja, vor zwei Tagen und auch heute Morgen strahlte der Schmerz auch in den linken Arm aus.“ Mein Verdacht erhärtet sich: Frau Schäfer könnte einen Herzinfarkt erlitten haben. Bei diesen Symptomen wäre das ungewöhnlich, aber nicht undenkbar. Das ist die große Herausforderung in der Notaufnahme. Wir dürfen uns nicht auf die erste Verdachtsdiagnose beschränken, sondern müssen auch seltene Möglichkeiten in Betracht ziehen. „Es könnte sein, dass Ihre Probleme vom Herzen kommen. Wir machen jetzt sofort ein EKG und bringen Sie in die Chest-Pain-Unit.“

Ich schaue auf die Uhr. Unfassbar, meine Schicht ist fast vorbei. Während der Arbeit bin ich nie müde – egal, ob ich 15 oder 40 Patienten behandle. An Tagen mit hohem Patientenaufkommen sind auch meine organisatorischen Aufgaben von entscheidender Bedeutung. Ich muss darauf achten, dass an kritischen Stellen genug Personal verfügbar ist und dass ausreichend Infrastruktur für Patientinnen der höchsten Dringlichkeitsstufe frei bleibt. Die körperlichen und mentalen Anstrengungen sind aber nichts im Vergleich zu dem Glücksgefühl und der Zufriedenheit, die mir mein Beruf gibt, wenn ich einem Menschen durch die Wahl der richtigen Therapie helfen kann. Während ich den Behandlungsraum verlasse, denke ich schon an den nächsten Arbeitstag. Ich werde mich morgen auf jeden Fall bei Dr. Evangelos Giannitsis, dem Leiter der Chest-Pain-Unit, nach dem Wohl von Frau Schäfer erkundigen.

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