Vor dem gläsernen Eingang zur Notaufnahme fährt ein Rettungsfahrzeug ein. An Bord ist die Notfallpatientin Sabine Schäfer. Noch bevor sie überhaupt das Krankenhaus betreten hat, weiß ich, dass die 57-jährige seit einer Stunde unter plötzlichen, starken Bauchschmerzen leidet. Die Informationen aus dem Bericht, den mir der Rettungsdienst über unser IT-System NIDA geschickt hat, ermöglichen es mir außerdem, die Patientin bereits vor ihrer Ankunft anzumelden. Dadurch gewinnen wir an Zeit, der wichtigsten Ressource in der Notaufnahme. Der Rettungsdienst bringt Frau Schäfer zur Aufnahme und Ersteinschätzungsstelle. Hier muss ich entscheiden, wie schlimm es um die Patientin steht und wie dringend sie behandelt werden muss. In der Notaufnahme müssen die Ankommenden priorisiert werden, damit Menschen in kritischen Zuständen nicht warten müssen.
Professionelle Hilfe in Highspeed – Medical Intervention Car Seit 2019 gehört das Medical Intervention Car (MIC) zu der UKHD-Flotte von Notarzteinsatzfahrzeugen. Beim MIC handelt es sich um ein bislang deutschlandweit einzigartiges Konzept für die Versorgung Schwerverletzter auf der Straße. An Bord des MICs befindet sich neben einem erfahrenen Notfallmediziner spezielle Ausrüstung wie Blutkonserven, eine Extrakorporale Membranoxygenierung und Gerinnungsprodukte. Das MIC ermöglicht dadurch lebensrettende Maßnahmen am Einsatzort, die im regulären Rettungsdienst derzeit nicht, oder nur eingeschränkt möglich sind.
Das "Medical Intervention Car (MIC)" ist ein innovatives und bislang deutschlandweit einzigartiges Konzept, um die außerklinische Notfallversorgung zu verbessern. Mehr erfahren im Video.
Dass die Patientin leidet, sehe ich an ihrem Gesicht: Sie ist blass, ihre Züge schmerzverzerrt, Haarsträhnen hängen schweißnass auf der Stirn. „Hallo Frau Schäfer, mein Name ist Hans Jörg Schwerdt. Ich bin der Leiter des Pflegepersonals. Können Sie Ihre Beschwerden beschreiben?“ Auch wenn ich diese bereits kenne, ist es wichtig, die Patientin nochmals anzuhören, um subjektive und aktuellere Informationen zu erhalten. Dann erhebe ich die Vitalzeichen, die im standardisierten Triage-System Emergency Severity Index (ESI) als nächster Schritt vorgeschrieben sind. „Ich werde jetzt Ihre Körpertemperatur, Atem- und Herzfrequenz sowie Sauerstoffsättigung messen. Sind Sie einverstanden?“ Frau Schäfer nickt. Nachdem ich die Werte abgenommen habe, werfe ich noch mal einen Blick auf Frau Schäfer: Sie stöhnt bei kleineren Bewegungen und hält sich die linke Bauchhälfte. Die Atemfrequenz überschreitet knapp den festgelegten Gefahrenwert, weshalb ich in Kombination mit den starken Schmerzen Frau Schäfer in die zweithöchste Dringlichkeitsstufe einteile. Das heißt, sie muss innerhalb von zehn Minuten von einem Arzt untersucht werden. „Frau Schäfer, wir bringen Sie nun in die Chirurgie.“ Beim ESI dürfen nur speziell ausgebildete und erfahrene Pflegekräfte die Ersteinschätzung durchführen. Erfahrung habe ich mittlerweile eine Menge. Wenn ich mich an meine Anfangszeit am UKHD zurückerinnere, muss ich schmunzeln. Nach meiner Pflegeausbildung wollte ich den Beruf drei Jahre lang ausüben und dann weiterschauen. Das war 1987. Viele Menschen schreckt das hohe Arbeitspensum in der Notaufnahme ab, für mich macht genau das den Reiz aus. Bisher war mir noch an keinem Arbeitstag langweilig. Das kann nicht jeder über seinen Beruf sagen.
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