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Malaria breitet sich wieder aus – auch in Richtung Europa. Im Interview erklären Professor Dr. Till Bärnighausen, Direktor des Heidelberger Instituts für Global Health, und Professor Dr. Friedrich Frischknecht, Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Infektiologie, wie sich die Überträgerin Anopheles aufhalten lässt, wie sich der Erreger vermehrt und wie man Mücken als Impfhelfer einsetzen kann.
Till Bärnighausen: Die Malaria ist eine eher ländliche Erkrankung, und sie betrifft vor allem ärmere Menschen in Afrika. In fensterlosen Hütten infiziert man sich viel leichter als in klimatisierten Gebäuden mit Fenstern, die man schließen kann. Wenn es kühl ist, wird die Anophelesmücke schläfrig und sticht nicht. Und: Die Durchschnittsdistanzen zu Kliniken sind im ländlichen Afrika lang – deutlich länger als in der Stadt. Die Leute haben keine Autos, sondern nutzen Minibusse oder gehen zu Fuß. Außerdem sind arme Menschen oftmals weniger gebildet.
Till Bärnighausen: Je höher die Bildung, desto besser das Präventionsverhalten. Ein gebildeter Mensch erschließt sich eher neues Wissen oder hat gesundheitsrelevante Kenntnisse aus der Schule. Und er traut sich eher, beim Arzt oder Apotheker nachzufragen.
Till Bärnighausen: Die Malaria tritt gehäuft in den Ländern südlich der Sahelzone auf, aber auch in Südamerika und Asien. Unser Institut arbeitet in mehr als 50 Ländern – zum Beispiel in Malaysia, China, Indien, Sri Lanka. Vor allem China interessiert uns – das Land ist seit 2017 malariafrei. Eine unserer Arbeitsgruppen wertet derzeit aus, wie es das geschafft hat.
Till Bärnighausen: Es gibt interessante Analogien zur HIV-Forschung, etwa den Ansatz der multiplen Prävention. Man hat herausgefunden, dass man mit der Beschneidung von Männern die Ansteckungsrate um etwa 60 Prozent reduziert, was sie aber trotzdem nicht aus der Pflicht entlässt, Kondome zu benutzen. Und so ähnlich ist es auch bei der Malaria: Die Impfung ist sehr gut, aber sie wirkt nur zu 40 Prozent und ersetzt keine Insektensprays, keine Larvizide, keine Bettnetze und keine Arztbesuche bei Fieber. Im Bereich Wissenschaftskommunikation forschen wir dazu, wie man den Leuten überzeugend vermittelt, dass sie sich unbedingt impfen lassen, aber trotzdem alles wie vorher machen sollen. Wir haben gute Erfahrungen mit Education-Entertainment-Videos gemacht – kurzen Trickfilmen ohne Worte, die man in allen Sprachgemeinschaften in Afrika problemlos einsetzen kann. Diese Videos gibt es zum einen auf YouTube, zum anderen bringen Community-Health-Workers sie in die Gemeinden.
Friedrich Frischknecht: Die infizierte Mücke setzt sich auf die Haut und sticht in diese hinein, um eine Kapillare zu finden. Dabei sondert sie ein Betäubungssekret ab, das den Parasiten enthält. So gelangt der Parasit in den Körper und fließt mit dem Blut bis zur Leber, wo er in die Zellen eindringt. Dort vermehrt er sich. Dabei entstehen so ungefähr 10.000 Parasiten. Die ziehen von der Leber zurück ins Blut und befallen rote Blutkörperchen. In diesen vermehren sie sich, brechen aus ihnen hervor und infizieren neue Blutkörperchen. So geht das immer weiter. Symptome bekommen Infizierte erst, wenn sich der Parasit so fünf-, sechsmal vermehrt hat. Dann treten die ersten Fieberschübe auf. Infizierte Blutkörperchen verkleben auch die Gefäßwände, was dazu führen kann, dass das Gehirn anschwillt. Im schlimmsten Fall fallen die Erkrankten ins Koma.
Friedrich Frischknecht: Wir wollen wissen, wie genau sich der Malariaparasit in den Zellen dupliziert und verbreitet. Grob gesagt, konzentrieren wir uns auf vier Punkte: Zum einen wollen wir verstehen, wie sich der Parasit mit den Blutgefäßen des Wirts verklebt und welche Proteine daran beteiligt sind. Zum anderen wollen wir herausfinden, wieso das bei Menschen mit Sichelzellanämie nicht passiert. Wir interessieren uns auch dafür, wie sich der Erreger in der Mücke bewegt. Und natürlich arbeiten wir an neuen Ansätzen zur Medikamenten- und Impfstoffentwicklung.
Friedrich Frischknecht: Der Parasit ist unglaublich komplex. Es gibt sechs Arten von Malariaparasiten, die den Menschen krank machen können, und mehr als 200 Arten, die Tiere befallen. Damit einher gehen viele unterschiedliche Malariaproteine. Man wird es nicht schaffen, gegen jedes dieser Proteine einen Impfstoff zu entwickeln.
Friedrich Frischknecht: Beide basieren auf einem Protein, das an der Oberfläche des Parasiten sitzt. Der erste Impfstoff ist eine Kombination aus einem Hepatitis-B-Protein und einem immunstimulierenden Malariaprotein. Der neuere Impfstoff ist eine günstigere Weiterentwicklung des ersten und hat eine höhere Konzentration des Malariaproteins. Früher dachte man, dass die Parasiten beim Mückenstich direkt ins Blut gelangen und die durch den Impfstoff gebildeten Antikörper den Eintritt des Parasiten in die Leber verhindern. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Mücke die Parasiten in die Haut spuckt und diese sich dann aktiv bewegen müssen, um in ein Blutgefäß einzudringen. Die Antikörper verhindern schon die Bewegung des Parasiten in der Haut, was verhindert, dass er die Leberzellen befällt.
Friedrich Frischknecht: Ja. Man hat herausgefunden, dass manche Erreger gegen Schnelltests resistent sind. Die Tests suchen nach einem bestimmten Protein, das im Blut schwimmt, wenn man Malaria hat oder hatte. Aber inzwischen gibt es Parasiten, die dieses Protein gar nicht mehr herstellen, weil sie das nicht unbedingt zum Überleben brauchen. Und die werden dann vom Schnelltest nicht detektiert. In Bezug auf Impfstoffe könnte das Gleiche passieren. Deshalb wollen wir eine Impfung mit einem genetisch modifizierten Parasiten entwickeln, der im Blut langsamer wächst und den Menschen deshalb nicht krank macht, jedoch die Immunantwort anregt. Das ist technisch etwas herausfordernd, aber wir hoffen, ihn in fünf Jahren zum ersten Mal an Menschen zu testen. Die Impfungen übernehmen dann übrigens die Mücken.
Friedrich Frischknecht: Wir infizieren die Mücken mit dem genveränderten Parasiten und geben ihnen eine Zeitlang kein Zuckerwasser, damit sie Hunger bekommen. Und dann lassen wir sie die Probandinnen und Probanden stechen.
Friedrich Frischknecht: Ja, es gibt immer viele Freiwillige, die erkennen, dass sie hier Gutes tun können. Da diese in einer klinischen Studie genau überwacht werden und man Malaria gut behandeln kann, ist es auch in der Tat nicht gefährlich.
„Die Anopheles-Mücke wird nach Europa zurückkehren.“
Till Bärnighausen: Die Durchschnittstemperaturen steigen langsam, aber stetig an. In manchen Regionen nimmt der Regen zu, in anderen die Trockenheit. Die Anopheles-Mücke migriert. Die Muster der Regionen, in denen Malaria auftreten kann, verschieben sich: Manche werden durch die neue Trockenheit malariafrei, in andere könnte die Anopheles zurückkehren. Dazu gehört Südeuropa, langfristig auch Mittel- und Nordeuropa.
Till Bärnighausen: Das Bewusstsein für dieses Risiko ist da. Wir prüfen gerade in einem großen EU-Projekt, wie man Europa auf sich verschiebende Infektionskrankheiten vorbereiten kann. Ein Beispiel: Barcelona war eine der letzten europäischen Malariastädte, und es wird auch dort als Erstes wieder losgehen. Die Abwasserkanäle laufen bei Regen oft nicht richtig ab und werden zu Mückenbrutstätten. Ein Ingenieurteam hat 22 von 44 Kanälen gereinigt und Filter eingebaut. Das hat die Mückendichte um 80 Prozent reduziert – eine effektive Maßnahme also. Die Wirksamkeit konnten wir bestätigen, indem wir beispielsweise die Larvendichte in Wasserproben gemessen haben. Wir arbeiten weiterhin zusammen und machen eine Studie zur Mückenbekämpfung in Gartenanlagen.
Till Bärnighausen: Über Satelliten kann man die Larvendichte in stehenden Gewässern messen und über Crowdsourcing-Systeme feststellen, welche Krankenhäuser Malaria diagnostizieren können. Beim Crowdsourcing kann jeder mitmachen. Die Bevölkerung wird informiert, und bei Bedarf kann man Druck auf Regierungen ausüben, wenn in bestimmten Krankenhäusern keine Behandlung möglich ist.
Till Bärnighausen: Ich bin Optimist und denke, wir können die Malaria radikal zurückdrängen. Seit 2015 hat die WHO bereits zwölf Länder als malariafrei zertifiziert. Die müssen natürlich aktiv bleiben, da die Malaria zurückkommen kann. Technisch ist die Ausrottung möglich, aber die politischen Voraussetzungen sind entscheidend.
Friedrich Frischknecht: Ich sehe das ähnlich wie Professor Bärnighausen. Der Optimist in mir denkt, dass wir die Malaria bis zum Jahr 2060 loswerden könnten, wenn doppelt so viel Geld in die Kontrolle gesteckt wird wie bisher. Denn wir haben sehr gut wirksame Medikamente und hervorragende Insektizide. Manche Länder des globalen Südens machen große Fortschritte in ihrer Ökonomie. Es gibt eigentlich keinen Grund, dass irgendjemand an Malaria stirbt.
Friedrich Frischknecht: Es steht leider auf einem anderen Blatt, was vor Ort passiert. Wenn man schaut, wo Malaria auftritt – in der Zentralafrikanischen Republik, Kongo, Nigeria, Tansania – dann sind das zum Großteil arme Länder und Länder mit Bürgerkriegen. Wenn sich die Leute weiter bekämpfen, wird die Malaria bestehen bleiben. Deshalb würde ich mich wahnsinnig freuen, aber schwer wundern, wenn in meiner Lebenszeit eine Ausrottung gelänge.
„Es gibt eigentlich keinen Grund, dass irgendjemand an Malaria stirbt.“
Dr. Marina Treskova und Dr. Peter Dambach sprechen über ihre Projekte in Europa und Afrika, die Möglichkeiten der Eindämmung, Vorsorgemaßnahmen sowie die wichtige Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.
Verursacher der Malaria sind einzellige Parasiten (Plasmodien). Übertragen werden diese durch weibliche Mücken der Gattung Anopheles. Diese stechen nachts zwischen Abend- und Morgendämmerung. Sie sind beinahe geräuschlos und bleiben oft unbemerkt. Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Die Malaria beginnt meist mit unspezifischen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie einem allgemeinem Krankheitsgefühl. Häufig werden solche Anzeichen in Europa als grippaler Infekt oder Magen-Darm-Infektion fehlinterpretiert.