Virtuelle Klinikwelten

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der größten und modernsten medizinischen Zentren Europas. Es bietet mit über 50 Fachabteilungen eine medizinische Versorgung auf höchstem internationalem Niveau in allen Fachgebieten. Das UKHD ist ein Konzern mit 14 Tochterunternehmen.

Mithilfe eines Schiebereglers steuert Dr. Stefan Mohr am Computer die körperlichen Funktionen der virtuellen Patienten.

Mithilfe eines Schiebereglers steuert Dr. Stefan Mohr am Computer die körperlichen Funktionen der virtuellen Patienten.

Die Ausbildung erinnert an ein Pantomime-Spiel. Zwei Studierende mit Virtual-Reality (VR)-Brille bewegen ihre Arme in der Luft und greifen mit den Händen ins Leere. Was in der Welt vor sich geht, die sie durch ihre Brillen sehen, können Außenstehende auf einem Monitor verfolgen. Dort erkennt man, wie die Studierenden Brandwunden versorgen, sich um Bewusstlose kümmern oder Menschen mit Herzinfarkt oder allergischem Schock behandeln.

Im VR-Lab der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD), können Studierende seit zwei Jahren ein Training im Wahlfach „Notfall- und Intensivmedizin“ absolvieren. Mit Hilfe von VR-Brille und Software lernen sie in der virtuellen Welt, welche Schritte sie einleiten müssen, um einem Menschen in Lebensgefahr zu helfen. Ergreifen Teilnehmende die richtige Maßnahme, verändert sich der Körper des virtuellen Patienten. Mit Hilfe eines Schiebereglers steuert der Trainer am Kontroll-Desk die körperlichen Reaktionen. Eine Schwellung geht zurück oder die Haut bekommt mehr Farbe.

„Dank dieser Simulation können die Studierenden im virtuellen Training Krankheitsbilder behandeln, die wir früher nur schwer hätten nachbilden können“, sagt Dr. Matthias Huck, Funktionsoberarzt in der Klinik für Anästhesiologie und wissenschaftlicher Leiter des Heidelberger VR-Labs der Medizinischen Fakultät.

„Dank der VR-Simulationen können die Studierenden im virtuellen Training Krankheitsbilder behandeln, die wir früher nur schwer hätten nachbilden können.“

Dr. Matthias Huck, Funktionsoberarzt in der Klinik für Anästhesiologie

Pilotprojekt mit Potenzial

Bislang arbeiten die medizinischen Fachkräfte in spe meist mit Puppen, die in der realen Welt vor ihnen auf dem Boden liegen. Die Übungsleitung kann ihnen lediglich sagen, welche Symptome der Dummy aufweisen soll, dann müssen sich die Teilnehmenden ein Bild in ihrer eigenen Vorstellung schaffen und die richtigen Schritte einleiten. Eine Übung, die nicht jede Situation adäquat abbilden kann, in der es wirklich um Leben und Tod geht.

Vielleicht wird es in einigen Jahren möglich sein, Teilnehmende, die sich an verschiedenen Orten befinden, gemeinsam in einen virtuellen Raum zu holen und mit ihnen zu üben. Die Technik würde das bereits hergeben, die öffentlichen Netze aber noch nicht. „Hier werden sehr große Datenmengen bewegt“, sagt Jörg Miebach, technischer Leiter des VR-Labs.

Wunderbrillen

Virtual Reality (VR-) Brillen werden auch als VR-Headset bezeichnet und geben den Nutzenden möglichst realistisch Einblick in eine digital erschaffene Wirklichkeit. Eine Linse vor jedem Auge vermittelt den Eindruck, in einer bestimmten Umgebung zu sein, eine Halterung sorgt dafür, dass sich bei jeder Bewegung des Kopfes auch der virtuelle Raum mitbewegt und ein 360-Grad-Erlebnis entsteht. Bekannt wurden VR-Brillen in der Computerspiel-Szene. Mittlerweile werden sie auch in der Wissenschaft und in der Industrie verwendet.

In dieser Szene wird eine virtuelle ältere Frau mit Atemnot erstversorgt.

Vorteile der vermischten Realität

In der virtuellen Wirklichkeit lassen sich Notfallszenarien zwar realitätsnah darstellen. Allerdings fehlen die haptischen Komponenten. Virtuelle Körper lassen sich untersuchen, aber nicht mit den Händen berühren. Das wiederum ist in der Mixed Reality (MR) möglich, einer Kombination aus virtueller und wirklicher Welt.

Stefan Mohr, Oberarzt in der Anästhesiologie

Je realistischer das Training, desto besser ist das medizinische Personal auf den Einsatz vorbereitet.

Stefan Mohr, Oberarzt in der Anästhesiologie

Ein europäisches Projekt, an dem das UKHD beteiligt ist, verfolgt diesen Ansatz. Darin tragen die Teilnehmenden eine VR-Brille und werden mit bestimmten Situationen konfrontiert – z.B. einem Unfall in einem Tunnel bzw. auf einer Landstraße mit einer Vielzahl an Patientinnen und Patienten. Die virtuelle Sicht wird durch echte Puppen ergänzt, die Teil des Szenarios sind.

Die Teilnehmenden führen alle Handgriffe mit eigener Wahrnehmung aus. Sie überstrecken den Kopf einer Puppe oder fühlen ihren Puls. Die mit Sensoren ausgerüsteten Dummies reagieren auf die Maßnahmen, indem zum Beispiel das Atemgeräusch wieder einsetzt. „Mit der hier verwendeten Technologie lässt sich ein breites Spektrum von Szenarien darstellen“, sagt Dr. Stefan Mohr, Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie, der das Projekt begleitet.

In der Mixed Reality wird die virtuelle Welt mit haptischen Komponenten verbunden.

Bei einer der Übungen wurde zum Beispiel eine Triage geprobt – für Rettungskräfte eine sehr belastende Situation, denn sie haben zu entscheiden, welchen Verletzten sie zuerst helfen oder welchen sie überhaupt noch helfen können. „Um angemessen entscheiden zu können, ist Vertrauen in das eigene Handeln nötig“, sagt Mohr. Je realistischer das Training, desto besser ist das medizinische Personal auf den Einsatz vorbereitet.

„Campus-Report“ zu Katastrophenübung am Universitätsklinikum Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg simulierte einen Massenanfall von Verletzten mit 100 realistisch geschminkten „Opfern“. Der Anästhesist Dr. Christoph Simon und die Laienschauspielerin Jessica Ost berichten über diese intensive Übung und ihre Bedeutung für die Notfallvorsorge.

Podcast, 11/2023

Transkript

„Campus-Report“ zu Katastrophenübung am Universitätsklinikum Heidelberg

Roman Jaburek: Ja, herzlich Willkommen zur heutigen Sonderausgabe, kann man schon sagen, zum Campus Report. Mein Name ist Roman Jaburek. Und heute geht es um das Thema Katastrophen-Übung am Uniklinikum Heidelberg. Gehen wir mal davon aus, wenn es zu einem Unfall in der BASF zum Beispiel kommt in Ludwigshafen, da können ja viele Menschen verletzt werden oder genauso, wenn ein Zug entgleist, es auf der Autobahn einen Busunfall gibt. Und deshalb hat das Uniklinikum Heidelberg heute in der neuen Chirurgie den Ernstfall geprobt. Bei dem sogenannten Massenanfall von Verletzten wurden rund 100 Schauspielpatientinnen und Schauspielpatienten ins Klinikum gebracht. Auch Dr. Simon und die Schauspielerin Jessica Ost waren bei den Übungen mit dabei. Jetzt sind Sie hier bei uns im Campus Report. Herzlich willkommen. Schön, dass sie sich noch die Zeit genommen haben, jetzt direkt nach der Übung.

Jessica Ost: Hallo.

Roman Jaburek: Meine Frage an Sie: Wie geht es Ihnen gerade?

Jessica Ost: Ich bin die Verletzte, die Jessica Ost. Und im Großen und Ganzen geht´s mir gut. Ich hatte zwei Verletzten-Bilder und habe da auch überlebt. Und dann geht man auch positiv aus dieser Sache raus.

Roman Jaburek: Und bei ihnen, Herr Simon?

Christoph Simon: Ja, also mir gehts auch gut. Bei mir ist es so, dass ich mich jetzt gerade nochmal kürzlich rehydrieren konnte und eine Kleinigkeit essen. Spätestens seitdem geht‘s mir gut. Aber ist schon so, dass man während des Szenarios an sowas gar nicht denkt und einfach immer so beschäftigt gehalten wurde, dass man sich darüber noch gar keine Gedanken machen musste. Und ich glaube, ich hatte schon Puls. Wir wurden ja getrackt mit EKG Monitoring.

Roman Jaburek: Wie lief das jetzt hinter den Kulissen ab? Also heute Vormittag um zehn Uhr gab es ja diesen Alarm in der Chirurgie. Und was ist dann passiert?

Christoph Simon: Dazu kann man kurz vielleicht einleitend sagen, dass ich das reguläre Dienst-Team gespielt hab. Also ich war bereits vor Ort in der Chirurgie. Ich wäre dort sicherlich im realen Leben nicht untätig gewesen, sondern hätte Narkosen betreut oder andere Notfallpatienten versorgt. Dann ist es so, wie es auch realistisch passieren würde: Das heißt, bei uns geht in der Notaufnahme ein Anruf ein, von der Leitstelle, die so ein Großschadensereignis „Massenanfall von Verletzten“, genannt MANV meistens in der Fachsprache, ankündigt. Und dann ist eigentlich immer entscheidend… es gibt mehrere Stufen… entscheidend ist immer wie viele Verletzte zu erwarten sind. Und je nachdem wird sozusagen eine unterschiedlich große Alarmierungsschleife ausgelöst. Also, unterschiedlich viele Leute informiert und ins Klinikum gerufen. Und für mich persönlich war es so, dass einfach ganz normal mein Diensthandy geklingelt hat und diesen Massenanfall an Verletzten angekündigt hat. Und das bedeutet für uns intern, dass wir möglichst schnell mit dem, was wir gerade machen, zu Ende kommen. Und dann haben wir uns getroffen in der Notaufnahme, so wie das auch unser Plan vorsieht. Wir haben uns besprochen, wie wir uns darauf vorbereiten.

Roman Jaburek: Wie geht es einem da? Also ich meine, egal ob jetzt Übung oder nicht, was passiert da in einem?

Christoph Simon: Ja, also es ist… man ist aufgeregt auf jeden Fall, weil das ja kein alltägliches Erlebnis ist. Das ist auch was, wo wir alle hoffen, dass wir es nie erleben müssen. Aber wo ich glaube, jeder durch viele Fortbildungsveranstaltungen, auch durch interne Memos ein mentales Modell von uns hat, was er da zu tun hat. Und da würde ich gerne mal das erste Positive feststellen in der ganzen Übung: Das hat extrem gut funktioniert dieses Treffen und war wirklich sehr, sehr strukturiert, wie sich die Leute abgesprochen haben, wer jetzt welche Aufgabe hat. Das ist glücklicherweise alles bei uns intern in Arbeitsanweisungen festgeschrieben, welcher Dienst welche Aufgabe einnehmen soll und was er da viel mehr zu tun hat. Und am Anfang ist es eigentlich so „Warten auf den Sturm“ erstmal, denn man bereitet sich vor und draußen ist schon viel los. Es ist viel Action im Bereich des Rettungsdienstes, aber bis die ersten Patienten dann wirklich auch im Klinikum eintreffen, das dauert erstmal.

Roman Jaburek: Jetzt haben Sie gesagt, es wurde alles koordiniert, auch in der Notaufnahme. Wie behält man dann, wenn jetzt diese 100 Schauspielpatientinnen und -patienten reinkommen überhaupt den Überblick?

Christoph Simon: Ja, das schwierig. Da hat man in der Klinik im Vergleich zur Präklinik – als Notarzt oder im Rettungsdienst – den Vorteil, dass man eben diese gewisse Vorlaufzeit hat, die der Rettungsdienst einem sozusagen verschafft, je nachdem wie nah am Klinikum des Großschadensereignis ist. Und da gibt es Strukturen dafür. Also, wir haben so Rollcontainer, die wir dann aufmachen, hinfahren. Die sind in speziellen Räumen gelagert und werden nur für so einen Katastrophenfall zum Beispiel vorgehalten, wo alles drin ist. Das Wichtigste ist erstmal: Kennzeichnungswesten. Also, dass klar ist, wer welche Position hat. Man spricht sich ab, man muss ganz viel telefonieren, man muss ganz viele Mitarbeiter von zu Hause in die Klinik bekommen. Das ist jetzt hier natürlich simuliert worden, weil die in einem anderen Gebäude gewartet haben jetzt in diesem Fall. Dann gibt es eben Strukturen, die uns helfen, das so ein bisschen zu organisieren. Sprich, wir vergeben einfach Nummern für die Patienten der Reihe nach so wie sie kommen, denn wir haben nicht die Möglichkeit, einen ganz normalen Aufnahmeprozess im Krankenhaus zu durchlaufen. Und wir haben sowas wie Sichtungskategorien. Das heißt, wir teilen die Patienten ein anhand von dem Verletzungsmuster: wie schwer sie verletzt sind und wie dringlich sie zu behandeln sind und auch wie viele Ressourcen sie binden. Also wie viele Ärzte, Pflegekräfte und bildgebende Kapazität sie benötigen.

Roman Jaburek: Wie kennzeichnen Sie diese Patienten? Also geht es dann nach leichten, mittleren und schweren Verletzungen?

Christoph Simon: So ungefähr, ja. Also, es ist ein farbcodiertes System: von „rot“, dem Schwerverletzten, der eine unmittelbare medizinische Intervention bedarf, um zu überleben. Über den Schwerverletzten, der aber noch ein bisschen aufschiebbar ist und auch erst mal kurz beobachtet werden kann… das wäre ein gelber. Zu Patienten, die gehfähig sind, zwar auch verletzt, aber nicht direkt ressourcenreiche, medizinische Versorgung brauchen, die dann Grün triagiert werden. Und dann gibt es noch weitere Sichtungskategorien, die man im Krankenhaus im Normalbetrieb überhaupt nicht kennt: also, schwarz triagierte Patienten, die verstorben sind. Oder auch blau triagierte Patienten: Das wären solche, die wahrscheinlich ohne Überlebenschance sind, die bei einer Überlastung vom Klinikum als solche ja bezeichnet werden müssten. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, mussten wir glücklicherweise in dieser Übung niemanden so kennzeichnen, sondern konnten alle mit unseren Ressourcen versorgen.

Roman Jaburek: Gibt es denn so etwas wie eine Einsatzleitung bei der Feuerwehr oder bei der Polizei, die das dann auch koordiniert vermutlich?

Christoph Simon: Ja genau. Das sehen unsere internen Strukturen so vor, dass sie initial aus zwei Oberärzten gebildet werden. Das ist einmal der Oberarzt von der Anästhesie und der diensthabende Arzt von der Chirurgie, die das dann übernehmen. Das nennt sich dann koordinierende Einsatzleitung, die den Gesamteinsatz leitet bis der reguläre Stab, der dann aus höherrangigen Vertretern des Uniklinikums besteht, übernimmt.

Roman Jaburek: Jetzt haben Sie gesagt, die alarmierten Ärzte haben schon im Nebengebäude gewartet. Und natürlich ist das entspannter als es jetzt im echten Leben wäre, wo man wirklich jeden irgendwie aus dem Samstag rausreißen muss. Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben denn mitgemacht heute bei der Übung?

Christoph Simon: Wenn meine Informationen stimmen, müssten das 60 ärztliche Kollegen gewesen sein, nochmal 50 pflegerische Kollegen, und dann braucht man natürlich eigentlich alle, die im normalen Krankenhausalltag irgendwie beteiligt sind. Also man braucht wirklich jeden: sämtliches Assistenzpersonal, Sicherheitspersonal, Pfortenpersonal, auch Reinigungspersonal. Alle – man braucht eigentlich alle, die für den normalen Betrieb eines Klinikums benötigt werden. Diese braucht man auch, wenn man eigentlich alle Tätigkeiten – auch nur schneller sozusagen – in so einem Massenanfall von Verletzten durchführen muss. Und soweit ich weiß… also ich hab das gerade vor mir… sind wohl noch 30 nicht-ärztlich, nicht-pflegerische Mitarbeiter auch bei der Übung dabei gewesen.

Roman Jaburek: Jetzt sind Sie Anästhesist, Herr Dr. Simon – was für eine Aufgabe hatten sie?

Christoph Simon: Wir haben ja kurz schon über die Triage-Kategorien gesprochen und als Anästhesist ist man für den Erhalt der Vitalfunktionen zuständig: sowohl im OP, aber auch als Notarzt im Rettungsdienst oder auf der Intensivstation. Das sind so die drei großen Gebiete, wo wir… wo ich jetzt auch persönlich eingesetzt werde. Und das habe ich auch jetzt so in diesem Szenario umgesetzt. Ich war dann im roten Bereich zuständig. Das heißt, ich habe schwerstverletzte Patienten bekommen, die eigentlich eine sofortige Intervention bedurften. Das haben wir, da unsere normalen Notaufnahmen-Kapazitäten nicht ausreichen, auf einen Teil des OPs ausgeweitet. Also, wir haben diese Tätigkeiten, die wir normalerweise im Schockraum machen, wo wir stabilisierende Maßnahmen an den Patienten initial durchführen, natürlich auch in den normalerweise dafür vorbehaltenen Bereichen gemacht. Die sind aber sehr schnell damit überlastet. Wir haben deswegen OP-Säle und Anästhesie-Einleitungen dazu umfunktioniert. Und in diesem ganzen Bereich habe ich mich bewegt.

Roman Jaburek: Also, Sie sind auch immer hin und her gegangen, wo sie gerade gebraucht wurden?

Christoph Simon: Ja.

Roman Jaburek: Eine der schwerverletzten Patientinnen waren Sie, Frau Ost. Sie simulierten eine. Was für eine Verletzung hatten Sie denn?

Jessica Ost: Also, ich hatte eine rote Verletzung. Das heißt, ich hatte eine starke arterielle Halsverletzung gehabt, eine Schnittwunde durch herunterfallende Trümmerteile. Und ja, da war ich direkt von Anfang an in den roten Bereich sozusagen einkategoriert worden.

Roman Jaburek: Jetzt werden sie ja auch so richtig getreu dieser Verletzung geschminkt. Wie kann man sich das als Laie vorstellen, wenn man jetzt zuhört: wie sieht es aus, wenn Sie da als Schauspielpatientin reinkommen? Was passiert da im Vorfeld?

Jessica Ost: Also im Vorfeld passiert sehr viel. Das ganze Team ist im Vorfeld schon Wochen, Monaten vorher – gerade bei so einer großen Übung – schon dabei Vorbereitungen zu treffen, Material zusammen zu suchen, Knochensplitter herzustellen, Glassplitter herzustellen. Also da läuft sehr viel im Voraus. Am Tag selbst waren wir schon seit sechs Uhr unterwegs morgens. Und wir haben ab halb acht, acht schon geschminkt, sodass wir um zehn circa mit der Übung beginnen konnten, dass die ersten Verletzungen dann schon fertig waren. Generell bei schweren Verletzungen, wie solchen Halsverletzungen, wird mit Wachs, Silikon, mit Latex gearbeitet. Also, es gibt ganz verschiedene Materialien, die man verwenden kann und das wird auch verwendet. Und am besten ist es einfach, wenn es echt aussieht. Und das hoffen wir halt, dass es dann bei dem gegenüberliegenden Part auch so rüberkommt.

Roman Jaburek: Ich geh‘ mal davon aus, dass sie das auch öfter machen, eine Patientin zu simulieren. Wie bereitet man sich darauf vor? Gibt‘s da Kurse? Wie sind sie dazu gekommen?

Jessica Ost: Also, ich merke ganz oft, dass viele Leute, die das hobbymäßig machen, auch im Beruflichen oder Privaten in Hilfsorganisationen tätig sind. Oder auch in Krankenhäusern oder Arztpraxen schaffen. Das heißt, man hat ein gewisses ärztliches Wissen. Und was man nicht weiß, muss man im Vorfeld einfach in Erfahrung bringen. Und man hat immer noch Leute, die man fragen kann. Wie sieht das aus? Wie sieht die Verletzung aus? Wie sehen die Symptome aus? Wir kriegen Werte im Vorfeld gesagt. Die Frequenz vom Puls zum Beispiel, der Blutdruck. Sodass die Werte schon festgelegt sind und es für das ärztliche Personal einfacher ist. Weil nicht alles kann geschauspielert werden. Manche Werte kann man nicht beeinflussen und dann muss man diese spielerisch einbringen, sozusagen.

Roman Jaburek: Ok, jetzt frage ich mich natürlich die ganze Zeit, sind Sie denn in einem medizinischen Beruf unterwegs, Frau Ost?

Jessica Ost: Ja, ich bin gelernte Arzthelferin.

Roman Jaburek: Ah, sehr schön. Also, ist dann schon mal Grundlagenwissen da. Wie ist es jetzt für Sie? Also ich stelle mir das schwierig vor, das muss ja ziemlich professionell auch zu gehen. Es ist eine Übung und es könnte ein Ernstfall sein. Was hilft Ihnen da in dieser Rolle drin zu bleiben und in dieser schwerverletzten Person?

Jessica Ost: Ja, also zum Teil ist es die Schminke, dass man schon so den Eindruck bekommt: ok, ich bin schwerwiegend verletzt. Man überlegt sich im Vorfeld auch immer eine Geschichte. Also, hier war ja schon vorgegeben… schon Geschichten, dass es hier zu einem Einsturz kam von dem Gebäude aufgrund einer Explosion. Und das baut man für sich als Mime immer noch etwas aus. Das verschönert man. Und man kommt dann automatisch in dieses Szenario rein, sobald wir mit dem RTW Krankenwagen ins Klinikum gebracht werden.

Roman Jaburek: Wir hören jetzt mal rein: So ging es bei der Übung vorhin im Schockraum und auch im OP zu.

Klänge aus dem Schockraum, piepen, Stimmen, Vitalwerte werden gesagt.

Roman Jaburek: Also, ich krieg da richtig Gänsehaut schon beim Zuhören. Wie war das für sie, Herr Dr. Simon oder auch Frau Ost in dieser Situation, in dieser Stimmung?

Christoph Simon: Das ist tatsächlich so etwas wie ein Gefühl, das man gar nicht so richtig beschreiben kann. Wenn man auch in dieser Situation ist – eher das Gefühl erst mal, dass man gar nichts fühlt, sondern einfach wirklich seine Prioritätenliste abarbeitet und irgendwie maximal konzentriert ist. Das ist jetzt wahrscheinlich in der Übung nicht ganz so krass, wie im realen Fall. Wobei man sagen muss, dass uns da natürlich in so einem Maximalversorger zugutekommt, dass wir diese Situationen – natürlich nicht täglich – aber doch sehr häufig haben. Wir haben nur sozusagen eine maximale organisatorische Herausforderung, dass dadurch einfach alles noch schneller abläuft. Und das ist schon was, wo einem erst hinterher klar wird, dass man gestresst war. So geht es mir zumindest persönlich.

Roman Jaburek: Wie wars bei Ihnen, Frau Ost?

Jessica Ost: Generell ist es so, wenn so eine Übung losgeht und es sind viele Mimen: es ist Schreierei, es wird gestöhnt, die Pflegekräfte, die Ärzte sind aktiv an einem dran. Also man wird automatisch da mitreingezogen. Man muss aufpassen als Mime, dass man nicht zu sehr da rein geschoben wird in dieses Szenario, weil man oft dann auch wirklich richtig Stress hat. Also die Werte sind manchmal wirklich erhöht und die Frequenz vom Atmen, vom Blutdruck geht hoch. Und man muss auch aufpassen, dass man nicht hyperventiliert, weil man so mitfiebert und mitspielt. Und hinterher ist man wirklich fix und fertig. Während dem Spiel merkt man das wirklich nicht. Da ist man so in der Rolle drin, aber hinterher ist das auch Schwerstarbeit gewesen.

Roman Jaburek: Vielen Dank, dass Sie noch mal jetzt da sind und sich auch die Zeit genommen haben, beide, für das Interview direkt nach der Übung. Was war denn jetzt aus ihrer Sicht die größte Herausforderung heute an diesem Trainingstag?

Jessica Ost: Also ich kann gerne anfangen. Als Schauspieler kommt man meistens mit einem Szenario ins Krankenhaus. Wir hatten hier das Problem, dass es im Vorfeld jetzt noch nix gab, ein kurzes Szenario. Aber die meisten Mimen sind sozusagen aus dem Puffer, aus einem Nebengebäude, eingespielt worden. Und das ist dann schwierig aus dem Stegreif dann sich in das Szenario hineinzuversetzen. Man kommt dann in die Notaufnahme und jetzt gehts los. Und das ist schon die Herausforderung gewesen.

Christoph Simon: Genau, also vielleicht eins vorneweg: Es gibt ja bei solchen Übungen immer so ein bisschen Übungskünstlichkeit. Also, dass es einfach Sachen gibt, die kann man nicht gut simulieren. Wir haben natürlich nicht tatsächlich irgendwelche invasiven Maßnahmen an den Schauspielpatienten durchgeführt und insofern ist natürlich immer irgendwo klar, dass das eine Übung ist. Aber ich muss wirklich sagen, ich bin extrem beeindruckt, wie gut das die Schauspielpatienten gespielt haben. Das hat sich extrem realistisch angefühlt, sodass man, glaube ich, schon ein bisschen eine Einschätzung treffen kann, was wirklich die großen Herausforderungen sind. Da muss ich wirklich auch jetzt die eigene Klinik mal ein bisschen loben. Es gibt wirklich super Konzepte. In diesem Krankenhausalarm und -einsatzplan ist wirklich sehr gut aufgeschrieben, was wer jetzt zu tun hat. Es hat alles gut funktionieren. Und trotzdem gibt es immer so Kleinigkeiten, wo man wieder merkt: Ah ja, das muss man mit auf dem Schirm haben. Also, es geht um Sachen wie, die Patienten werden versorgt, aber es muss auch rechtzeitig und schnell genug das ganze Monitoring wiederaufbereitet werden. Es müssen wieder neue Tragen und Liegen zur Verfügung gestellt werden, weil der Patientenstrom nicht abreißt, es kommen ständig neue. Diese organisatorischen Herausforderungen, an die man gar nicht so denkt. Das ist nicht das medizinische, das machen wir jeden Tag, das läuft. Das hat auch gut funktioniert. Alles Medizinische, Technische und so – das ist nicht das Problem. Das Problem ist das Management des ganzen Drumherums, die Organisation. Wo stellt man die Leute hin? Man hat teilweise Phasen wo man zu viel Personal hat oder an anderer Stelle fehlt es. Und wie man das am besten irgendwie gut koordiniert, das ist die wirkliche Herausforderung bei der Bewältigung von so einem Massenanfall im Krankenhaus. Und ich glaube, dass wir da sehr viel heute gelernt haben durch diese Übung.

Roman Jaburek: Das ist schön zu hören. Jetzt haben Sie vorhin schon, Frau Ost, sehr ausführlich erklärt, wie sie sich auf den heutigen Tag vorbereitet haben. Geht das bei Ihnen überhaupt, Herr Doktor Simon, weil es für Sie ja tägliche Routine ist? Oder sind sie einfach so reingesprungen?

Christoph Simon: Ich war insofern, glaube ich, gut vorbereitet, da es nicht so lange her ist, dass es mal einen Vortrag gab in unserem Arbeitskreis Notfallmedizin zu unserem MANV-Konzept, wo das eben vorgestellt wurde. Was ich jetzt auch auf dem Schirm hatte. Und als ich dann gewusst habe, dass es diese Übung gibt, habe ich im Vorfeld tatsächlich nochmal den Krankenhausalarmplan – nicht komplett gelesen, der ist sehr lang – aber das ist so in einzelne Abschnitte gegliedert, wo quasi wirklich für jeden Funktionsbereich noch einmal auf zweien Seiten beschrieben ist, was er zu tun hat. Und das hatte ich nochmal vorher gelesen. Das ist natürlich auch wieder eine Übungskünstlichkeit, denn im Realfall hätte ich das nicht zwei Tage vorher nochmal gelesen. Da ist aber auch eigentlich wieder gut organisiert, dass das alles in diesen Boxen eben vorgehalten wird, sodass man da, wenn man eben noch ein paar Minuten hat, sich doch nochmal schnell einlesen kann. Also ich denke, dass das auch im Realfall tatsächlich ganz gut funktionieren würde.

Roman Jaburek: Jetzt haben wir von Ihnen beiden schon gehört: das lief heute bei der Katastrophenübung alles reibungslos ab. Sie war erfolgreich. Wie ging es danach weiter?

Jessica Ost: Das ist eigentlich bei uns eine relativ kurze Phase. Also, generell, die Mimen, Teilnehmer, Schauspieler müssen sich in erster Linie erstmal abschminken und umziehen, um auch diese Rolle abzulegen, dass keiner heim geht und noch Blut an den Händen hat. Einfach um das Ganze zu beenden. Klar, im Nachhinein muss vieles Material aufgefüllt werden, nochmal Neues hergestellt werden. Wenn es Probleme psychischer Natur gäbe, haben wir auch Leute, Fachleute, mit denen man auch Rücksprache halten kann. Ja, aber das ist eher selten der Fall, dass es da wirklich zu Problemen käme.

Roman Jaburek: Dr. Simon?

Christoph Simon: Genau, also bei uns wird es jetzt noch so eine Nachbesprechung geben. Ja, wo ich nicht genau weiß, wie die aussehen wird. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir eben gerade solche Probleme, die vielleicht zutage getreten sind, adressieren werden, überlegen werden, wie man das verbessern kann. Und dann ist es so, dass wir einen nicht so kleinen Teil an Verbrauchsmaterialien geöffnet haben, dass wir doch ein bisschen Chaos in der Klinik angestellt haben, was jetzt alles wieder aufgeräumt werden muss. Und ich glaube, es ist auch ganz wichtig und, das ist was, das wieder eine sehr starke Übungskünstlichkeit darstellt: Im echten Leben, wenn das jetzt wirklich ein Massenanfall von Verletzten gewesen wäre, wären wir noch über Tage beschäftigt, die Patienten zu versorgen. Und selbst wenn man die ganzen frühen Stolpersteine irgendwie meistern kann, dass man genug Personal Klinik bekommt. Ich sag mal, nach spätestens 12 Stunden lässt die Arbeitskraft deutlich nach. Und es wird aber deutlich länger gehen so ein Einsatz. Und da ist es, glaube ich, wichtig, frühzeitig daran zu denken, Personal zwischendrein mal wieder heimzuschicken, sich erholen zu lassen. Denn man wird sie ja wieder später brauchen. In so einem Massenanfall von Verletzten werden oft nur die wirklich lebensrettenden Maßnahmen, initial durchgeführt, braucht aber trotzdem oft eine vollständige Diagnostik. Also wir wären bestimmt noch viele Stunden damit beschäftigt, Patienten, die wir jetzt nur kurz im OP notversorgt haben, durch das CT zu fahren und noch eine vollständige Diagnostik zu machen. Und wir müssten auch sehr viel Dokumentation nachholen. Allein, ich sag mal, so ein bisschen die Patientenidentität wiederherzustellen. Das, was wir im Alltag nicht haben, wo wir quasi jeden Patienten komplett individuell behandeln, ist jetzt so, dass wir erstmal Nummern vergeben haben. Und sehr viel auch an persönlichen Daten, Angehörige-Nummern herausfinden, diese informieren. Da wäre noch ein sehr großer Haufen Arbeit, der da auf uns zukommen würde. Also bin ich jetzt ganz froh, dass wir jetzt wissen, es ist ein Schlussstrich drunter, wir unterhalten uns darüber und gehen dann nachher heim. Das wäre im echten Leben wahrscheinlich nicht so.

Roman Jaburek: Definitiv. Und ich glaube, da bräuchte es wahrscheinlich auch noch mehr Koordinatoren, die nichts anderes tun, als das Personal ständig zu wechseln und einzuziehen ins Klinikum. Ja, zum Glück war es heute nur die Katastrophenübung. Schauen wir jetzt nochmal, was Sie so spannend fanden heute am Tag.

Christoph Simon: Ich kann nur, wie gesagt, die großartige schauspielerische Leistung loben. Es ist wirklich beeindruckend. Für uns ist es ja nicht wirkliches Spielen. Es ist natürlich auch irgendwie schauspielerische Arbeit. Aber für uns ist es ja einfach unseren Alltag spielen, dafür muss man nicht viel können. Aber so einen Schwerverletzten realistisch zu spielen, das ist überhaupt nicht leicht. Und das haben die Schauspielpatientinnen und -patienten wirklich großartig gemacht.

Jessica Ost: Da gebe ich gerne das Lob zurück. Also, man hat oft das Problem bei Übungen, dass die Teilnehmer nicht immer so motiviert sind oder sich komplett darauf einlassen. Und das war heute absolut gar nicht der Fall. Also von Anfang an, ob der Rettungsdienst oder später in der Notfallaufnahme, im Schockraum, jeder halt, jeder Pfleger, jede Schwester, jeder Arzt hat voll mitgespielt und hat das sehr ernst genommen und war motiviert und auch sehr in der Betreuung freundlich und zuvorkommend. Und das wünscht man sich einfach auch im wahren Leben.

Roman Jaburek: Alles klar, wunderbare Schlussworte von Ihnen beiden. Sie dürfen sich jetzt gegenseitig noch mal auf die Schulter klopfen und schnaufen Sie tief durch: es ist vorbei. Ihnen einen schönen Feierabend und schön, dass sie sich noch die Zeit genommen haben für den heutigen Campus Report. Die Sonderausgabe „Katastrophenübung am Heidelberger Klinikum“. Vielen Dank für das Gespräch.

Jessica Ost: Sehr gerne.

Christoph Simon: Sehr gerne.

Operation am virtuellen Herzen

Sich möglichst perfekt auf den Ernstfall vorzubereiten, das ist auch das Anliegen von Professor Tsvetomir Loukanov. Mit seinem Team operiert er am UKHD Neugeborene mit komplizierten Herzfehlern. Die riskanten Eingriffe dauern oft zwischen sechs und zwölf Stunden. Je schneller und präziser die OP erfolgt, desto höher sind die Erfolgschancen. Deswegen übt Professor Loukanov mit seinem Team die Handgriffe oft an einem Modell aus Kunststoff, das genauso aussieht wie das Herz des betroffenen Kindes.

Möglich macht es eine Methode, die zum Beispiel Daten aus Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT) oder Ultraschalluntersuchungen nutzt und daraus einen virtuellen Zwilling des betroffenen Herzens erzeugt. Auf dieser Grundlage lässt sich ein dreidimensionales Bild im virtuellen Raum darstellen, was eine viel detailliertere Vorbereitung erlaubt. Für besonders schwierige Eingriffe kann das OP-Team ein Modell des Herzens aus Kunststoff mit einem 3-D-Drucker herstellen.

So häufig sind Herzfehler
7900
Mädchen und Jungen insgesamt kommen jedes Jahr allein in Deutschland mit einem Herzfehler zur Welt. Das sind ein Prozent aller Kinder.
Fördergemeinschaft Deutsche
Kinderherzzentren e. V.

Anatomie zum Anfassen: Das Herz in 3-D

Für besonders schwierige Eingriffe kann das OP-Team ein Kunststoffmodell des Herzens vom 3-D-Drucker herstellen lassen.

Klicken Sie mit dem Cursor auf das Herz, um es zu drehen.

Jeder Fall ist individuell

Die meisten Operationen, die der Chefarzt und sein Team ausführen, sind Einzelfälle, die auch erfahrene Fachkräfte noch nie gesehen haben. Wie das kommt? „Es gibt etwa 100 verschiedene angeborene Herzfehler“, sagt Loukanov. Sie können rechnerisch in Milliarden unterschiedlichen Kombinationen auftreten.

Manchmal trifft sich Professor Loukanov mit seinen Assistenzen am Wochenende und übt Schnitte und Stiche an dem Kunststoffmodell. Bei komplizierten Fällen lässt er sich gleich mehrere der nur walnussgroßen Kinderherzen ausdrucken. Geht bei der Generalprobe etwas schief, wiederholen sie den Eingriff an einem Ersatzherz. „Am Tag der Operation haben wir hingegen nur einen einzigen Versuch.“

Eigene Methode des 3-D-Drucks entwickelt

Professor Loukanov und sein Oberarzt Philippe Grieshaber haben sich bei Aufenthalten an US-Kliniken weitergebildet, wo man sich seit Jahren mit 3-D-Modellen auf schwierige Operationen vorbereitet. Doch die in Boston oder New York genutzten Verfahren haben einen Nachteil: Sie sind sehr teuer. „Die speziellen 3-D-Drucker kosteten 400.000 Dollar, ein einziges ausgedrucktes Modell schlägt derzeit mit 600 bis 1.000 Dollar zu Buche“, erzählt Loukanov. Im deutschen Gesundheitssystem lässt sich das schwer finanzieren.

Er beauftragte einen motivierten Doktoranden, um eine günstigere Methode zu entwickeln. Die Arbeit verlief erfolgreich. Die Herzen lassen sich jetzt virtuell darstellen und für rund sieben Euro auf einem handelsüblichen Gerät dreidimensional ausdrucken.

Ein digitales Herz auf dem Monitor und greifbare 3-D-Modelle – beides hilft Kinderherzchirurgen sich auf reale Eingriffe vorzubereiten.
Prof. Tsvetomir Loukanov ist zuversichtlich, dass Training an Simulatoren auch in chirurgischen Fächern in die Weiterbildungskataloge aufgenommen wird.
Am 3-D-Herzen dürfen Fehler gemacht werden. In der richtigen Operation jedoch darf nichts schiefgehen.

Das virtuelle Üben könnte auch die Aus­bildung verkürzen. „Nur wenige junge Ärztinnen und Ärzte interessieren sich für eine Laufbahn in der Kinder­herz­chirurgie“, sagt Loukanov. Ein Grund sind die langen Aus­bildungs­zeiten, die bei zehn, manchmal 15 Jahren liegen. An Modellen aus dem 3-D-Drucker könnten die angehenden Fachkräfte viel schneller Opera­tionen ausführen. So kann in der Folge die chirurgische Aus­bildung an Patienten effi­zienter und mit höchstmöglicher Sicherheit erfolgen. Perspektivisch ist anzunehmen, dass Training an Simulatoren, wie schon z.B. in der Notfallmedizin anerkannt, auch in chirurgischen Fächern in die Weiterbildungskataloge aufgenommen wird.

„Campus-Report“ zu 3-D-­Herz­modelle in der Kinder­herz­chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg

Über angeborene Herzfehler, die Beson­derheiten und Möglich­keiten der 3-D-­Kinder­herz­modelle sowie ihren Einsatz – nicht nur in der klinischen Ver­sorgung, sondern auch in Studium und Lehre – sprechen Prof. Loukanov und Dr. Grieshaber.

Podcast, 05/2023

Transkript

„Campus-Report“ zu 3-D-Herzmodelle in der Kinderherzchirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg

Roman Jaburek: Ja, herzlich Willkommen zum Campus Report vom Universitätsklinikum Heidelberg. Mein Name ist Roman Jaburek und heute geht es in dieser Folge um das Thema 3-D-Kinderherzmodelle. Zu Gast heute sind Professor Loukanov, der Leiter der Kinderherzchirurgie an der Chirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg, und der Oberarzt Doktor Grieshaber. Herzlich Willkommen. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Philippe Grieshaber: Danke für die Einladung.

Tsvetomir Loukanov: Danke, Herr Jaburek.

Roman Jaburek: Es gibt insgesamt pro Jahr 900 herzkranke Kinder und die kommen jährlich nach Heidelberg ins Klinikum. 400 davon betreuen Sie in der Kinderherzchirurgie. Und so eine Herz-OP, die ist ja schon sehr komplex und bei Kindern noch mehr. Können Sie erklären warum das so ist, Herr Loukanov?

Tsvetomir Loukanov: Ja, das sind tatsächlich beeindruckende Zahlen und die werden noch beeindruckender, wenn man sich überlegt, dass mehr als 7000 Kinder jedes Jahr in Deutschland mit einem Herzfehler auf die Welt kommen und die meisten davon auch eine Herz-OP brauchen. Unsere OPs sind sehr, sehr lang. Man muss sich vorstellen, dass jede einzelne komplexe Herz-OP ein Tageswerk ist: sechs, sieben, acht Stunden. Das heißt, wir versuchen unsere Arbeit so zu gestalten, dass wir eine komplexe Herz-OP pro Tag machen. Und da gehört die ganze Zeit der Welt diesem Kind und seinem Herz. Und das sind sehr, sehr unterschiedliche Herzfelder, die man manchmal so selten vorkommen, dass man sie ein oder zweimal in der ganzen Karriere sieht. Und die Kombinationen unterschiedlicher Herzfehler kommen noch mal dazu. Deswegen ist diese Variabilität von angeborenen Herzfehlern bei uns ein großes Problem. Um das zu bekämpfen und mit dem sich vertraut zu machen, versuchen wir durch Forschungsmodelle und Forschungsprojekte die Kinderherzchirurgie noch sicherer zu machen.

Roman Jaburek: Beeindruckende Zahlen, Herr Professor Loukanov, die Sie hier genannt haben. Jetzt ist es ja sicherlich so, dass jetzt auch bei einem Kind allein der Brustkorb auch schon viel, viel kleiner ist, als bei einem Erwachsenen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch hier die Operation deswegen viel, viel schwieriger ist. Auf was muss man denn da genau achten?

Tsvetomir Loukanov: Also die Größe ist nicht unser größtes Problem. Die Größe spielt eine Rolle, aber sie ist nicht der entscheidende Punkt. Weil erstmal bei ganz kleinen Kindern, bei Neugeborenen sind die Herzen nicht so klein, wie man denken würde. Unser größtes Problem ist, dass das äußerst sensible und gefährliche Erkrankungen sind. Wenn ein Mensch mit einem Herzfehler auf die Welt kommt, dann geht es ihm äußerst schlecht. Und das sind lebensgefährliche Bedingungen. Das heißt mit der OP, das muss man sich vorstellen, begibt man in absolut außer der physiologischen Norm: Man öffnet den Brustkorb, man schließt das Herz an eine Herzlungenmaschine. Dann wird der Patient gekühlt und an einem bestimmten Zeitpunkt wird das Herz in Stillstand gelegt. Und zwar nicht für ein paar Minuten, sondern manchmal über Stunden. Und das macht natürlich die ganze Prozedur vom Prinzip äußerst gefährlich.

Roman Jaburek: Sie haben es vorhin ja erwähnt, dass so eine OP auch mal einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Das heißt, da braucht es wahrscheinlich auch eine gute Vorlaufs- und Vorbereitungszeit für so einen Eingriff; wird lange geplant. Da gibt es jetzt eine digitale Technik, die Sie dabei unterstützt, um diese Operationen in Zukunft noch sicherer zu machen. Und zwar handelt es sich dabei um dieses sogenannte 3-D-Kinderherzmodell. Herr Doktor Grieshaber, was ist das genau?

Philippe Grieshaber: Es ist so, dass wir prinzipiell bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern gewisse Standarddiagnostik-Möglichkeiten haben. Also, die aller häufigste und wichtigste Methode ist die Echokardiographie. Da kann man in zweidimensionalen Schnitten die Herzbewegung darstellen. Dazu gibt es dann auch zum Beispiel die Herzkatheteruntersuchungen, wo auch in einem zweidimensionalen Rahmen die Kontrastmittelpassage durch das Herz an verschiedenen Punkten dargestellt werden kann, Drucke gemessen werden können. Das sind alles Informationen, die sehr wichtig sind. Dann kann man zusätzlich noch, wenn das notwendig ist, auch Schnittbildgebung machen, also Computertomographie, MRT. Und das sind alles Informationen, die kommen dann zusammen und daraus entwickelt man dann eine Idee, was an Anatomie vorliegt, was an Physiologie vorliegt und auch wie man das korrigieren kann. Das Problem ist, dass all diese Methoden letztendlich sich im zweidimensionalen Raum abspielen. Das Herz ist aber ein Organ, was dreidimensional ist, was auch ziemlich komplex aufgebaut ist von den Richtungen und Verhältnissen der einzelnen Strukturen zueinander und was auch noch schlägt, was funktionieren muss. Das heißt, es ist nicht nur eine dreidimensionale Struktur, sondern auch eine dreidimensionale Struktur in Bewegung. Und all diese Funktionen und Informationen muss man ja in seinem Plan integrieren, wie man diesen Herzfehler behandeln will. Und, und deswegen ist es für uns eine sehr willkommene und wichtige Zusatzinformation, die wir haben können, wenn wir dieses Herz dann zusätzlich zu den Standarddiagnostika eben auch als 3-D-Modell ausdrucken oder virtuell auf einem Bildschirm angucken können, weil dadurch gerade die räumlichen Verhältnisse der Strukturen zueinander nochmal besser einschätzbar werden.

Roman Jaburek: Wie kann die OP jetzt dadurch besser vorbereitet und durchgeplant werden, Herr Doktor Grieshaber?

Philippe Grieshaber: Also das ist wirklich so, dass wir gerade um die Patientensicherheit zu erhöhen uns natürlich Informationen, die wir aus der Diagnostik haben, mehrfach vor der Operation angucken. Und zwar nicht nur wir von der chirurgischen Seite, sondern auch mit den Kinderkardiologen zusammen, mit allen Beteiligten bei der Operation. Das ist ein riesen Team-Aufwand, dass alle wirklich auf dem Laufenden sein müssen, wie diese Operation ablaufen wird. Und wenn wir dann zum Beispiel einen komplexen Herzfehler haben, den wir operieren müssen und auch uns dann entschieden haben, so eine 3-D-Modell von diesem Herzfehler anzufertigen, dann drucken wir das entweder aus. Das bedeutet dann, dass es dann solche kleinen Hartplastik Modelle gibt in Originalgröße, die man dann wirklich in der gemeinsamen Besprechung rum reicht, dran rum gucken kann, reingucken kann, sich die verschiedenen Verbindungen anschauen kann und dadurch wirklich ein ganz gutes Gefühl entwickeln kann, wie das Herz möglicherweise korrigierbar ist. Die andere Möglichkeit, die etwas schneller geht, gerade wenn wir dringliche Fälle haben, wo man jetzt nicht auf den Druck warten will, ist es, das dann als virtuelles Modell anzuschauen. Es kann im Prinzip jeder, der beteiligt ist, über sein Smartphone oder über ein Tablet sich projizieren, das auch in einen virtuellen Raum projizieren und dadurch eben auch in die Struktur reingehen virtuell und einen Eindruck gewinnen, wie die dreidimensionale Anordnung ist.

Roman Jaburek: Was macht es jetzt? Sie sind Experte, Sie sind Chirurg am Kinderherzen, wenn Sie das davor schon paar Mal durchgespielt haben und dann live sich in dieser Operation befinden, was ist dann anders, wenn sie davor mit dem 3-D-Modell durchtrainiert haben, Professor Loukanov?

Tsvetomir Loukanov: Man geht in den OP viel besser vorbereitet für diesen Fall. Man kann sich Zeit nehmen. Die meisten unsere OPs sind elektiv, sie sind planbar und sie sind nicht Notfälle. Das heißt, wir können auch Wochen vor der OP Modelle ausdrucken lassen und mit dem uns vertraut machen. Plan A, Plan B, Plan C sich gut überlegen. Man geht mit einer ganz anderen Vorbereitung, einem ganz anderen Fitnesslevel, wenn man so will, in den OP. Und das heißt übersetzt für uns, Zeit sparen. Weil Zeit, genau der Zeitrahmen, wo dieses Herz im Stillstand sich befindet, ist für uns enorm wichtig. Zeit ist Muskel. Also mit jeder Minute passieren manchmal auch Veränderungen im Herzmuskel, die auch nicht unbedingt zugunsten der Patienten sind. Das heißt schnell operieren. Zu einem gewissen Maß schnell, also erstmal qualitativ gut, aber auch schnell, ist wichtig aus der Sicht der Patienten. Und diese Zeitersparnis, die man mit der guten Vorbereitung mit 3-D-Modellen präoperativ gewinnen kann, das ist unbezahlbar. Trainieren bringt auch immer, nicht nur im Sport, sondern auch im Leben bessere Ergebnisse.

Roman Jaburek: Jetzt können wir vielleicht den Bogen auch spannen zum Thema Ausbildung. Gerade in der Chirurgie ist es so, dass es nicht so oft Gelegenheiten gibt, um eben zu trainieren, oder? Und ich meine, dieses 3-D-Kinderherzmodell ist jetzt prädestiniert dafür. Nutzen Sie wahrscheinlich auch für die Ausbildung?

Tsvetomir Loukanov: Sie sprechen ein äußerst wichtiges Thema an: Nachwuchsausbildung. Das ist äußerst wichtig in der Kinderherzchirurgie und das ist ein großes Problem nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und weltweit. Und der Grund dafür ist, dass eine Ausbildung zum Kinderherzchirurgen durchschnittlich über 12 bis 18 Jahre dauert. Das sind publizierte Ergebnisse von Ausbildung in den USA. Und man muss sagen, die USA hat eins der besten Ausbildungssysteme für Kinderherzchirurgie in der Welt. Und wenn man sich fragt, wie viel von den jungen Kollegen, die jetzt gerade mit dem Medizinstudium fertig sind, wären bereit für so eine lange Ausbildungszeit und mitzumachen, dann wird es schwierig. Und es ist tatsächlich so, dass wir es heutzutage auch schwer finden, dass junge Leute, junge, intelligente, begabte Leute, die mit Begeisterung und Leidenschaft in die Kinderchirurgie gekommen sind, auch bleiben. Deswegen durch dieses 3-D-Modell und gezielte Übungen und lernen von chirurgischen Techniken, versprechen wir uns auch eine deutliche Verkürzung von diesen Ausbildungszeiten.

Roman Jaburek: Wie ist es eigentlich aus Elternsicht? Also ich meine, das wird bestimmt auch eine sehr große Belastung, wenn man jetzt ein Kind mit angeborenem Herzfehler hat, Herr Doktor Grieshaber. Beziehen Sie die Eltern da auch mit ein und nutzen sie dieses 3-D-Kinderherzmodell für die Aufklärung, zum Beispiel?

Philippe Grieshaber: Ja, das ist tatsächlich ein ganz interessanter Aspekt, den wir auch, sagen wir am Anfang des Projekts gar nicht unbedingt primär in im Blick hatten. Aber das ist wirklich was, was sich jetzt auch schon mehrfach gezeigt hat, dass man damit auch die Eltern-Informationen besser gestalten kann. Wir benutzen normalerweise irgendwelche Skizzen, Zeichnungen, bei denen man den Eltern erklärt, wie der Herzfehler ist, was man operativ-korrektiv machen will. Aber es ist tatsächlich so, dass wir jetzt auch schon ein paar Mal diese 3-D-Modelle im Aufklärungsgespräch, den Eltern gezeigt haben und ihnen daran was erklärt haben. Und dadurch hat man wirklich das Gefühl, das macht es für die Eltern deutlich besser greifbar, im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich hoffe es erhöht auch noch das Vertrauen der Eltern in die Sicherheit der Operation und in die Planung der OP. Wir hatten auch schon Eltern, die dann nach der Operation auch dieses Herzmodell zum Beispiel mit nach Hause nehmen wollten. Also es ist etwas, das wirklich bei den Eltern auch positiv angenommen wird und ich glaub auch die Aufklärungs- und Informationsqualität erhöht.

Roman Jaburek: Kommen wir mal zum in Anführungszeichen leidigen Thema: man kennt es auch von anderen Themenbereichen aus der Medizin oder Wissenschaft, dass so etwas immer sehr viel Geld kostet. Wie siehts denn bei diesem 3-D-Kinderherzmodell aus: ist es auch eine Kostenexplosion, wo sie sagen, na ja, das können wir ein, zweimal, dreimal machen und dann ist gut oder wie gehen Sie da vor?

Philippe Grieshaber: 3-D-Druck in der Kinderherzchirurgie gibt es auch oder gab es schon länger natürlich auch. Aber es ist, wie sie sagen, durchaus ein sehr kostenintensives Unterfangen gewesen meistens. Nur so zum Beispiel, eine der größten Institutionen, die solche 3-D-Modelle herstellt, verwendet einen Drucker, der allein 400.000 kanadische Dollar kostet. Und ein Herzmodell ungefähr Materialkosten von 300 bis 400 kanadischen Dollar. Also das ist schon sehr kostenintensiv und das war auch etwas, was wir in unserem Projekt grundsätzlich anders machen wollten und auch so von Anfang an umgesetzt haben, dass wir kostengünstig und so den Workflow gestalten wollen, dass das im Prinzip auch jeder auf der Welt nachahmen kann und dass damit auch dieses 3-D-Modellieren für letztendlich alle erreichbar sein kann. Also bei uns ist es tatsächlich so, alle Software, die wir benutzen, ist Open Source Software, die kostet nix. Der Drucker ist relativ günstig, der kostet vielleicht 300 Euro und die Materialkosten für so ein ausgedrucktes Herz sind irgendwie drei, vier, fünf Euro ungefähr.

Tsvetomir Loukanov: Man muss auch unbedingt erwähnen, dass dieses Thema ein junger, sehr talentierter Kollege als Doktorarbeit genommen und mit sehr viel Leidenschaft und Zeit gemacht hat. Und wir sind hier in Heidelberg gesegnet, dass solche Kollegen sich melden bei uns und freiwillig auch in der Forschung tätig sind. Das ist in Heidelberg irgendwie eine Selbstverständlichkeit, wo andere Universitäten kämpfen müssen. Wir kriegen hier wirklich manchmal die Crème de la Crème der Studenten, die kommen und mit uns arbeiten. Sein Name ist Alexander Schneller und er hat eine hervorragende Arbeit geleistet. Aber nur so funktioniert es bei uns im Team. Sie müssen sich auch vorstellen, bei einer Herz-OP sind zehn bis zwölf Leute im OP unersetzlich. Das sind nicht nur die Chirurgen, sondern auch Anästhesisten, OP-Schwestern, Kardiotechniker, Anästhesie-Schwestern, Springer… also das ist ein großes Team und so versuchen wir auch zu arbeiten. Da sind nicht Loukanov oder Grieshaber nur wichtig, sondern auch alle, die mitmachen und sich damit beschäftigen. Das ist mir sehr wichtig.

Roman Jaburek: Ich wünsche Ihnen weiterhin gutes Gelingen mit diesem 3-D-Kinderherzmodell, was bestimmt auch die Zukunft noch weiterhin positiv bestimmen wird, gerade in ihrem Fachbereich. Vielen Dank für das Gespräch Herr Doktor Grieshaber und Herr Professor Loukanov.

Verbandswechsel auf dem Bodensee

Auch die Pflege arbeitet am UKHD mit virtueller Realität: In der Chirurgischen Klinik nutzen die Pflegekräfte VR-Brillen beim Verbandswechsel. Die Patienten erleben mit Hilfe der 3-D-Brillen z.B. eine virtuelle Bootstour auf dem Bodensee. Sie empfinden so weniger Schmerzen und benötigen weniger Schmerzmittel.

„Pflege UKHD“: Zum Verbandswechsel auf den Bodensee?

Franziska Glaß, Fachkrankenpflegerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, spricht über ein Forschungsprojekt: Während großer, oft schmerzhafter Verbandswechsel machen die Patienten mittels VR-Brille eine virtuelle Schifffahrt über den Bodensee.

Podcast, 03/2021

Transkript

„Pflege UKHD“: Zum Verbandswechsel auf den Bodensee?

Robin Krüger: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge des UKHD Pflege Podcast. Ich bin Robin Krüger. Ich bin die Stationsleitung vom Innovationsraum Pflege in der Kopfklinik und hab heut meine erste Gesprächspartnerin bei mir. An der Chirurgischen Klinik in Heidelberg kommt eine VR-Brille zum Einsatz, welche dafür sorgt, dass der Verbandswechsel so angenehm wie möglich wird. Statt ihrer Wunde sehen die Patienten nämlich den schönen Bodensee vor sich. Franziska Glaß arbeitet als Pflegefachkraft und Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Chirurgischen Klinik und hat ein ganz besonderes Projekt von Beginn an mit betreut. Hallo Franziska.

Franziska Glaß: Hallo!

Robin Krüger: Erzähl uns doch mal, wie alles angefangen hat mit Deinem Projekt. Und was auch Dein Projekt ist.

Franziska Glaß: Zunächst hat alles als kleines Projekt angefangen im Rahmen der Abschlussarbeit einer Kollegin im Rahmen ihrer Weiterbildung zur algesiologische Fachassistenz. Der ursprüngliche Ideen-Anstoß kam von unserer Stellvertretenden Pflegedienstleitung. Die hat nämlich den Anbieter, den wir auch letztendlich gewählt haben, auf einem Kongress gesehen und hat uns dann darauf hingewiesen, dass sowas möglich ist. Und wir waren direkt Feuer und Flamme. Man muss wissen, die Patienten, die bei uns auf der Station liegen, sind zu 80 - 90 Prozent onkologische Patienten mit sehr ausgedehnten großen Operationen. Ja, wir haben dann einfach die Brille aufgezogen bei Verbandswechsel, bei Zug von der Drainage, wenn wir das Gefühl hatten die Patienten sind psychisch überbelastet, sind auch schon lange im Krankenhaus, haben irgendwie einen kleinen Koller. Das Projekt hat sich dann auch super schnell irgendwie verselbstständigt. Es wurden im Team gemeinsam während der Übergabe geeignete Patienten gesucht: bei wem können wir das machen? Das ganze Team war dann wirklich total Feuer und Flamme. Wir haben dann für uns als Ergebnis oder als Abschluss von dem ganzen Projekt gemerkt: Ok, die Patienten berichten von einem gesteigerten Wohlbefinden. Die Patienten sagen, sie können innerlich Abstand von dieser ganzen Situation nehmen. Sie bekommen einen gewissen Entspannungsmoment, aber auch, dass sich einfach die Schmerzen reduzieren. Wir konnten dann sehen, dass da eine positive Beeinflussung vom subjektiven Schmerzempfinden war, aber die Schmerzmedikation im Endeffekt geblieben ist. Und da hat sich dann der Kontakt zwischen mir und unserer APN, also unsere Advanced Practice Nurse, die wir in der Chirurgie haben, ergeben und wir haben dann einfach gemeinsam das Studienprotokoll konzipiert, weil wir gesagt haben, wir wollen das wissenschaftlich untersuchen.

Robin Krüger: Können die Patienten sich dann selber aussuchen, was sie in der VR-Brille sehen oder gebt ihr das vor?

Franziska Glaß: Wenn Patienten für unsere Studie eingeschlossen werden, dann haben wir uns auf ein bestimmtes Video geeignet. Das sind 20 Minuten Bodensee-Rundfahrt. Wir haben einfach gesagt, dass Patienten eingeschlossen werden, bei denen der Verbandswechsel um 20 Minuten dauert und das Video geht genau 20 Minuten. Von daher passt es halt super gut und da ist einfach Abwechslung mit dabei. Wenn aber die Patienten außerhalb der Studie die Brille anwenden, dürfen sie frei aussuchen, was sie haben wollen.

Robin Krüger: Und die wissen dann schon, was sie wollen? Sagen sie dann auch: ich hätte mal richtig Lust, mit einem Hubschrauber über New York zu fliegen oder mal unter Wasser zu gehen? Oder…?

Franziska Glaß: Wäre super, wenn das gehen würde. Aber wir haben so eine kleine Vorauswahl. Also es gibt Geschichten, die man sich angucken kann, wie man als Ameise im Wald quasi umherläuft. Es gibt Meditationsübungen. Es gibt aber einfach auch nur einen Sonnenaufgang über den Bergen oder einfach nur an einem Steg stehen. Da kann man schon Vorlieben auch erfüllen. Aber es wäre super, wenn es da noch mehr Möglichkeiten geben würde, oder zum Beispiel auch Heidelberg spezifische Möglichkeiten.

Robin Krüger: Ja, aber ich meine, das ist ja eigentlich ein Projekt oder auch ein Medium, das man auch in Zukunft sicherlich mit Updates ausstatten könnte: Dann wäre natürlich gerade so Heidelberger Schloss oder die alte Brücke oder der Odenwald… das wäre bestimmt schön. Wie nehmen die Patienten denn die Brille an?

Franziska Glaß: Also das ist recht unterschiedlich, muss ich sagen. Also im Großen und Ganzen sind die Patienten schon positiv beeindruckt und sind auch nicht ablehnend, gar nicht. Was uns nur lustigerweise auffällt ist, dass gerade ältere Patientinnen das gerne oder vermehrt annehmen. Weil junge Leute kennen das einfach aus der Unterhaltungsbranche. Die haben so ein Ding vielleicht auch zu Hause, und sie sagen: ja, nee, meine Grafik zuhause ist besser. Also die sind nicht so schnell zu begeistern. Gerade letzte Woche hat mir eine Kollegin ein Beispiel erzählt, da wurde jemand eingeschlossen in unsere Studie. Es wurde der Verbandswechsel damit gemacht und die war so begeistert, dass sie diese Brille nur noch für die Verbandswechsel haben wollte. Teilweise dann auch zwischendrin, wenn sie gesagt hat: ich will jetzt mal was anderes sehen. Sie saß dann am Tisch zum Beispiel mit der Brille, ist am Meer spazieren gegangen und hat natürlich die Nachbarpatientin dann auch direkt angesteckt, die war auch Feuer und Flamme. Ich habe noch nie erlebt, dass da von vornherein irgendwie Ablehnung da war. Nein, wirklich, auf gar keinen Fall.

Robin Krüger: Da kommen mir gleich Gedanken in den Kopf, dass in Zukunft bei uns alle Patienten VR-Brille aufhaben, um nur noch die schönen Seiten zu sehen. Aber da sprechen wir später nochmal drüber. Ja, also das klingt wirklich echt super und ich bin mir auch sicher, dass wenn bei mir mal Verbandswechsel gemacht werden sollte, dann würde ich da sicherlich auch drauf zugreifen. Jetzt kommen wir noch zur Rolle der Pflegefachkräfte in dieser Situation. Wo siehst du denn die Rolle der Pflege bei der Schmerztherapie nach Operationen?

Franziska Glaß: Also ich sehe die Rolle von der Pflege da super essentiell im Mittelpunkt. Man ist nah am Patienten dran, man macht die Mobilisation, man macht die Verbandswechsel, man sieht den Patienten wahnsinnig häufig, man bekommt einfach mit, wie ist der Schmerzzustand. Was bei uns in der Chirurgischen Klinik der riesengroße Vorteil ist, dass das Schmerzkonzept in der Hand vom Akut-Schmerzdienst liegt. Und dieser Akutschmerzdienst wird geleitet von Pflegefachkräften mit einer Weiterbildung und der Anästhesie gemeinsam. Und dadurch entsteht eine wahnsinnig enge Zusammenarbeit mit den Pflegenden direkt am Bett. Die kommen jeden Tag, machen Visite und da wird man einfach mit eingebunden. Man muss aber auch sagen, dass es einfach eine fachliche Kompetenz verlangt, dass man da einfach mit dabei sein kann. Also man muss wissen: Was kann ich geben? Wie oft kann ich es geben? Was kann ich als Ergänzung bei akuten Ereignissen mit dazu geben? Wie reduziere ich zum Beispiel was? Unsere Patienten kommen eigentlich fast ausschließlich mit PCA-Pumpen oder PDK-Pumpen und da muss man einfach wissen, wie gehe ich damit um?

Robin Krüger: Du bist auch wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Chirurgischen Klinik. Da würde ich jetzt zur nächsten in Frage kommen: Wo siehst du die Möglichkeiten und die Chancen gerade für akademisierte Pflegekräfte in der Uniklinik?

Franziska Glaß: Definitiv einfach in der Teilhabe, in der Weiterentwicklung, einfach generell Pflegeforschung betreiben, Pflege relevante Themen und Fragestellungen untersuchen. Ich bin überzeugt von einem Doppelmodell, so wie wir es in der Chirurgischen Klinik machen. Also ich bin in der direkten Patientenversorgung tätig, einfach damit ich die Nähe zum Patienten habe und auch die Nähe zur Basis. So weiß ich, was ist relevant? Was brauchen wir überhaupt in der Praxis? Und zu einem gewissen Anteil bin ich eben als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und genau dieses Doppelte finde ich halt irgendwie wahnsinnig wichtig und auch wahnsinnig bereichernd für mich. Und ich muss sagen, ich finde es aktuell eine spannende Zeit. Vieles ist im Umbruch, die Augen sind wahnsinnig auf die Pflege gerichtet und ich muss sagen, genau das ist eigentlich der Moment, wo wir ja angreifen sollten, wo wir versuchen sollten mehr zu partizipieren, mehr einbringen. Hey, was ist Pflegeforschung zum Beispiel eigentlich? Was machen wir überhaupt? Was können wir leisten?

Robin Krüger: Ja, auf jeden Fall, manche haben ja auch irgendwie die Sorge: Oh Gott, in Zukunft müssen alle Pflegekräfte studiert haben. Das stimmt natürlich auch überhaupt nicht. Es ist einfach eine zusätzliche Bereicherung, denke ich, für die Pflege und unfassbar wichtig, dass wir uns in Zukunft auch als Berufsgruppe gut in der ganzen Klinik einbringen können.

Was würdest du jetzt jungen Pflegekräften raten, die vielleicht auch so eine tolle Idee haben, wie sie sich einbringen können, wie sie vielleicht ihre Idee umsetzen können?

Franziska Glaß: Einfach machen. Einfach wirklich drauf los. Einfach mal zum Beispiel verschiedene Prozesse hinterfragen: Kann man das irgendwie verbessern, verändern? Und dann von der Leitungsebene einfordern das Ganze. Also ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass es wahnsinnig wichtig und essentiell ist, die Leitung mit ins Boot zu holen, weil nur so kann man wirklich auch was umsetzen.

Robin Krüger: Und zum Schluss profitiert ja auch immer die ganze Station. Also das ist ja nicht nur der Einzelne dann oder die Einzelne, sondern die ganze Station.

Franziska Glaß: Natürlich die ganze Station, die ganze Klinik. Grad mit der VR-Brille: Wir haben nicht die Absicht, das nur auf den ein, zwei Stationen zu lassen. Fürs gesamte Haus kann zugegriffen werden, wir haben Poster gemacht, wir haben uns auch ein bisschen an den ASD angegliedert, dass die wissen, hey, da kann man was machen. Es sollen alle davon profitieren im Endeffekt.

Robin Krüger: ASD ist der Akut-Schmerzdienst.

Franziska Glaß: Genau.

Robin Krüger: Hattest du irgendwelche Probleme, Hürden, die dich in deiner Projektentwicklung behindert hatten oder wo du dachtest, ich komm hier nicht mehr weiter, ich muss jetzt noch mal neu anfangen?

Franziska Glaß: An und für sich wenig Probleme, weil ich halt einfach von meiner Führungsebene wahnsinnig viel Rückhalt und Unterstützung habe. Aber gerade so am Anfang oder auch noch so in der Studienzeit – also ich habe ja quasi dual studiert und nach dem Examen bin ich dann ins Vollzeitstudium und hab da nochmal wahnsinnig viel Zeit reingesteckt – und es kommt halt ganz häufig von den Kollegen auf den Stationen: Ja, du bist dann ja weg, wenn du im Endeffekt fertig wirst mit deinem Studium. Da ich aber dageblieben bin und wie gesagt mittlerweile einfach diese Doppelrolle habe, ist bei den Kollegen auch einfach was passiert: Also die haben da im Kopf ein bisschen umgeswitcht und haben auch erkannt: naja ok, die hat ihren Bachelor, hat vor ihren Master zu machen, aber sie bleibt hier, sie ist immer noch jemand aus unserem Team, arbeitet immer noch in der direkten Patientenversorgung.

Robin Krüger: Ich denke aber auch, dass man hier immer gute Unterstützer findet in der Klinik. Man ist eigentlich nie alleine, findet gute Partner, die einen mit unterstützen.

Was waren besondere Ereignisse, die passiert sind, wo du dachtest, das hat sich auf jeden Fall gelohnt?

Franziska Glaß: Besondere Meilensteine bis jetzt war unsere erste Veröffentlichung. Wir haben das ganze Projekt und die Studie, die wir daraus machen, veröffentlicht in einer Pflegezeitschrift. Und es war natürlich ein super cooler Moment als man das gedruckte Exemplar mit seinem Namen oben drüber das erste Mal in der Hand hatte. Wir haben uns auch schon auf Kongressen vorgestellt und es ist immer wieder total spannend, da einfach auch mit anderen Professionen einfach ins Gespräch zu kommen und auch zu merken, was da für ein Interesse an diesem gesamten Thema überhaupt da ist. Das sind so die Meilensteine und was für mich so ein so ein wahnsinnig großer Meilenstein war: Hier in der Klinik gibt es einen Pflegepreis. Und wir haben den 2019 gewonnen mit dem Projekt. Und es war nochmal... Also man wurde überschüttet mit Glückwünschen und ist mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen. Und auch was sich derzeit einfach noch mit dem Ganzen entwickelt: Auf einmal kommen andere Bachelorstudenten auf einen zu und sagen: Hey, ich find das ist ein super cooles Projekt, ich würde das gerne ausweiten, ich mach jetzt eine Literaturrecherche für Anwendung von VR in der Anästhesie. Können wir uns da irgendwie zusammen tun? Super, was sich daraus entwickelt, aber auch was für ein positives Feedback man bekommt für die Arbeit, die man leistet.

Robin Krüger: Sehr gut. Ich denke auch gerade, dass das so eine VR Brille in vielen anderen Bereichen super angewendet werden kann. Also wenn man eine Operation bekommt, in der man jetzt nicht in Vollnarkose ist, wo man auch vielleicht Geräusche im Hintergrund hört, die man vielleicht sonst nicht hört, wo man gerade mit so einer Brille viel Ablenkung schaffen kann.

Franziska Glaß: Definitiv. Und ich meine, die Brille wird ja auch schon eingesetzt als Lehrmedium ganz häufig. Ich kann es mir auch weiter, zum Beispiel in der Pflegeausbildung vorstellen, in irgendwelchen Skills Labs zum Beispiel: Wie lege ich eine periphere Venen Verweilkanüle zum Beispiel? Wie nehme ich Blut ab, um das erst einmal quasi so anhand der Virtual Reality zu ertasten.

Robin Krüger: Was würdest du sagen, was dich bei deiner Arbeit antreibt?

Franziska Glaß: Ich mache meinen Beruf wahnsinnig gerne. Ich bin stolz, Pflegefachkraft zu sein. Ich find es immer wieder bereichernd, dass kein Tag irgendwie so ist wie der andere. Also man kann sich nicht drauf einstellen: Ja ok, gestern der Frühdienst, der war ok, machen wir heute genauso. Nee, das ist halt nicht. Und das finde ich einfach super herausfordernd. Man kann sich persönlich weiterentwickeln und auch in die Richtung gehen, in die man einfach möchte. Man da viele Möglichkeiten. Ich habe Interesse an Pflegewissenschaft, Medizin. Die Kompetenzen, die man hat, die werden einfach wertgeschätzt. Aber auch diese enge Zusammenarbeit mit den ganzen Disziplinen. Und vor allen Dingen die positiven Rückmeldungen von Patientinnen und Patienten. Weil das ist ja der Grund, für mich zumindest, warum ich diesen Beruf mache: Dass es den Patienten und Patientinnen, die ich betreue, gut geht und dass ich ihnen in einer gewissen Art und Weise weiterhelfen kann. Und wenn gerade dann jemand entlassen wird, der einfach schon wahnsinnig lange da ist und der einem tief in die Augen guckt und sagt: Hey, danke für das, was du für mich gemacht hast. Dann weiß man einfach, warum man das Ganze macht. Und das ist einfach immer wieder die Bestätigung.

Robin Krüger: Wie guckst du, dass du auch ein bisschen Abstand bekommst? Weil so viele schöne Ereignisse, die man hier erlebt, so viele traurige Ereignisse erlebt man natürlich auch, die natürlich zu unserer Arbeit definitiv dazugehören. Wie sorgst du für dich?

Franziska Glaß: Ich versuch mir bewusste Auszeiten zu nehmen. Auch wirklich mal, wenn ich am Wochenende frei hab, zu sagen: ich will einfach mal gar nichts machen oder was komplett irgendwie Gegenteiliges. Ich verbringe viel Zeit mit der Familie und mit Freunden. Viel darüber reden, was man hier sieht. Aber auch wirklich mal was komplett anderes machen. Ich habe vor einem Jahr ein bisschen angefangen mit Yoga, um mich da mal auf der mentalen Ebene einfach runter zu fahren und da muss ich auch sagen: das gibt mir auch wahnsinnig viel. Was ich aber auch immer wieder merke: ich handle so ein bisschen nach dem Grundsatz „Wissen ist Macht“. Also wenn ich mich damit beschäftige, warum sind Zusammenhänge so wie sie sind. Und ich das nachvollziehen kann und verstehen kann, tut mir das auch nochmal wahnsinnig gut, weil es einfach logisch wird.

Robin Krüger: Ja, ich denke auch, dass der kollegiale Austausch auch irgendwie immer… vielleicht noch nicht mal mit Kollegen, die bei einem auf der Station arbeiten, sondern auch vielleicht mit Kollegen die hier am Universitätsklinikum arbeiten, aber in einer ganz anderen Abteilung, dass man sich einfach mal mit denen noch mal austauscht, das tut auch immer, finde ich sehr, sehr gut.

Franziska Glaß: Ja, definitiv. Also generell ist es ja einfach: Man wird gut verbunden miteinander. Es gibt viele AGs, die auch einfach klinikübergreifend da sind, wo einfach ein Austausch stattfindet. Und das gibt einem auch einfach nochmal wahnsinnig viel.

Robin Krüger: Jetzt hast du natürlich ein sehr zukunftsorientiertes Projekt gehabt. Wie siehst du denn die Zukunft der Pflege, gerade auch am Universitätsklinikum Heidelberg?

Franziska Glaß: Also ich sehe die Pflege weiterhin als hochprofessionellen und essenziellen Teil in der Patientenversorgung. Aber ich sehe da auch definitiv eine Weiterentwicklung: sei es in Kompetenzen, die Pflegenden vielleicht zugeschrieben werden oder Kompetenzen, die Pflegende darbringen. Aber auch einfach in der pflegewissenschaftlichen Forschung. Das wird auf jeden Fall weitergehen. Und ich sehe aber auch einfach, oder ich hoffe für mich mit, dass die Pflege einfach noch mehr auf ihren Berufsstolz pocht und einfach stolz darauf ist, als Pflegekraft zu arbeiten, stolz darauf ist, hier am Klinikum zu arbeiten und einfach, wie gesagt, so ein hochprofessioneller Teil des Ganzen zu sein. Da sehe ich die Pflege in den nächsten Jahren schon.

Robin Krüger: Liebe Franziska, vielen, vielen Dank, dass du meine erste Gesprächspartnerin hier am neuen Podcast warst. Das hat mir viel Spaß gemacht und ich fand es echt super interessant und ich denke, dass dein Projekt super Zukunft auch bei uns hat, und ich freue mich, dass du hier warst.

Franziska Glaß: Ja, sehr gerne. Ich bedanke mich auch recht herzlich für die Einladung.

Zwischen VR und Realität

Von Zeit zu Zeit kann es hilfreich sein, einmal die Perspektive zu wechseln. Mithilfe der VR-Brille verwandelt sich das triste Krankenhauszimmer im Nu in eine plätschernde Wasserlandschaft, die von Schmerzen und Sorgen ablenkt.